• 1702

     

    Das Gründungsjahr

    Als Kirchenmusici wurden die Gruppen genannt, die hauptsächlich in der Kirche bei Gottesdiensten den Choralgesang begleitet haben. Außerdem wurde vom Kirchturm geblasen und bei Beerdigungen gespielt. 

    Die Geschichte der Stettener Kirchenmusici, dem heutigen Posaunenchor, beginnt im Jahr 1702. Sie ist eingebettet in eine lange Reihe von Geschehnissen, die umfangreich dokumentiert sind. Wir dürfen hier auf das von Adolf Kaufmann im Jahr 1962 erschienene Buch über die Geschichte Stettens hinweisen. Anlässlich zweier Jubiläen (600 Jahre Schloss Stetten, 300 Jahre Erweiterung Dorfkirche Stetten) sind Schriften erschienen, die interessante Aufschlüsse bieten. Unabhängig davon hat unser Chor bereits im Jahr 1977 seine Geschichte beschrieben. Die seinerzeit zusammengetragenen Dokumente wurden zwischenzeitlich zu einem Archiv erweitert. Außerdem sind wir im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, im Landeskirchlichen Archiv und in Aufzeichnungen und Dokumenten vor Ort, z. B. aus dem Pfarrarchiv, sowie im Stettener alten Rathaus fündig geworden. Der besondere Dank gilt dabei unserem Chormitglied und Archivar Karl Wilhelm, dem es gelang, die wechselvolle Geschichte der Kirchenmusici so lebendig darzustellen, dass damit Verständnis für eine Zeit geweckt wird, die uns weit entrückt ist. 

    Wie war das vor 300 Jahren? 

    Wenn man die Zeit 300 Jahre zurückblättert, kommt man nicht umhin, einen Blick auf das gesellschaftliche Umfeld jener Zeit zu werfen, in der unser Posaunenchor entstand. Der erstmals urkundlich im Jahr 1241 genannte Ort Stetten unterstand verschiedenen Herrschaften, die die Dorfgeschichte prägten. Im Zusammenhang mit der Geschichte unseres Posaunenchors wird das 17. Jahrhundert wichtig. In den Jahren 1664/66 kauft Herzog Eberhard III. von Württemberg die Herrschaft Stetten, wodurch Stetten in das Privateigentum des Hauses Württemberg übergeht. Im Jahr 1674 übernimmt Herzog Wilhelm Ludwig nach dem Tod seines Vaters die Regierung. Seiner Frau Magdalene Sibylle von Hessen-Darmstadt überlässt er Dorf und Schloss Stetten zur lebenslangen Nutzung. Bereits 1677 stirbt Herzog Wilhelm Ludwig und die Herzogin zieht im Schloss Stetten ein, das sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1712 als Hauptwohnsitz benutzt. Während des Aufenthalts der Herzogin in Stetten wird der Ort zeitweise zweite württembergische Residenz. 

    Nun ist aus jener Zeit bekannt und überliefert, dass die herzoglichen Behörden auch die kirchliche Verwaltung innehatten. Hierzu gehörte nicht nur die Verwaltung der Kirchengüter, sondern auch die Einstellung und Prüfung der Pfarrer sowie deren Beaufsichtigung. Der ab 1692 nach Stetten beru-fene Pfarrer Johann Jakob Bäuerlin versah zugleich die Stelle des Hofpredigers der Herzoginwitwe und war Vorgesetzter des Schulmeisters. Insofern war ein Lehrer auch „Diener“ der Kir-chengemeinde. 

    Johannes Paul Losenauer 

    — Gründer unseres Posaunenchors. 

    Unter den Schulmeistern in Stetten finden wir nun auch einen Johannes Paul Losenauer, der von 1697 bis 1723 in Stetten gewirkt und der nachweislich die Kirchenmusici, also einen Posaunenchor, gegründet hat. 

    Wie die Anstellung des Johannes Paul Losenauer in Stetten zustande kam, kann nicht festgestellt werden. Überliefert ist jedoch ein Schriftverkehr aus dem Jahre 1697 zwischen der Gemeinde und der Pfarrei von Stetten sowie dem Dekanat von Waiblingen einerseits, und dem Herzoglichen Consistorio in Stuttgart andererseits. Darin ging es um die zu gering besoldete Stelle des Schulmeisters von Stetten. Der Vorgänger von Losenauer, Matthäus Widmann, welcher gute Zeugnisse hatte, gab den Schuldienst in Stetten auf und ging nach Großheppach. So musste, um wieder einen guten Schulmeister zu bekommen, die Besoldung verbessert werden. Mit dem oben erwähnten Schriftwechsel wurde dann erreicht, dass der Schulmeister in Stetten ein Gratial (Sonderzuwendung) erhält. Dieses sollte jedoch zu keinem Perpetuum (Dauerzustand) werden, sondern nur bis der Flecken (Dorf) hinwieder zu besseren Kräften kommt und die Verbesserung der Schulmeisterbesoldung selbst besorgen kann. Diese Sonderzuwendung bestand aus Naturalien: 1 Eimer Wein (ca. 300 Ltr.), 8 Scheffel Dinkel (ca. 1400 Ltr. Hohlmass) und 3 Klafter Holz (ca. 10 Raummeter). Durch diese Besoldungsverbesserung konnte wohl Johannes Paul Losenauer für die Schulmeisterstelle in Stetten gewonnen werden. Das Stift Beutelsbach, welches damals auch den Wein- und Fruchtzehnten einzuziehen hatte, wurde dann auf besonderen herzoglichen Erlass angewiesen, diese Gratialien an den Schulmeister von Stetten abzugeben und zwar nur jeweils für ein Jahr. Diese Regelung hatte zur Folge, dass über 20 Jahre hinweg fast jährlich ein Schriftverkehr zustande kam, in welchem zu lesen ist, dass Johannes Paul Losenauer in Vokal- und Instrumentalmusik unterrichtet hat. 

    Auch die jährlichen Visitationsprotokolle des Dekans aus Waiblingen berichten darüber, dass Losenauer in Stetten Musik unterrichtet hatte. Bei diesen Visitationen wurden der Pfarrer, der Schulmeister und die bürgerlichen Amtspersonen beurteilt. Das Visitationsergebnis wurde dann in verkürzter Form vom Dekan an das herzogliche Konsistorium weitergeleitet und in sogenannten Synodusprotokollen aufgeschrieben. Leider gehen diese Berichte nur bis zum Jahr 1711. Die damalige Ortsherrin von Stetten, Herzoginwitwe Magdalene Sibylle starb 1712. An ihre Stelle als Ortsherrin trat dann Wilhelmine von Gräfenitz. Der Stettener Pfarrer wurde von ihr zum Dekan für ihre Besitzungen ernannt. Sie konnte wohl nicht dulden, dass der Dekan von Waiblingen den Pfarrer von Stetten visitierte. 

    Deshalb gibt es aus dieser Zeit keine Visitationsprotokolle über Stetten und somit auch keine Überlieferungen, welche Auskunft über die von Losenauer ausgeübte Kirchenmusik geben können. Bedauerlicherweise kommt noch hinzu, dass etwa 1831 der damalige Schultheiß Moser alte Akten, insgesamt 5 Zentner, als Altpapier für 30 Gulden verkauft hat. Darunter waren auch Heiligenrechnungen mit Beilagen. Wären diese Akten noch vorhanden, könnten wir noch vieles über die Kirchenmusici erfahren. 

    1723 machte Wilhelmine von Grävenitz eine Stiftung. Darin wurde unter anderem bestimmt dass der Zins aus 100 Gulden zum Kauf einer Wiese verwendet werden soll. Der Ertrag dieser Wiese musste zur Förderung der Kirchenmusici in Stetten verwendet werden. 

    Welche Instrumente haben die Bläser damals gespielt? 

    Die erste direkte Nachricht über Instrumente erscheint 1761 in einem Inventarium, das der Heilige, die Kirchengemeinde, aufgestellt hatte. Diese Aufstellung musste auf besondere herzog-liche Anordnung zusammengestellt werden, und beinhaltet das Sachvermögen der Kirchengemeinde. Bei der Abhör-Recehs (Rechnungsprüfung) musste dieses Inventarium beigelegt werden. Darin sind musikalische Instrumente aufgelistet, die sich im Eigentum der Kirchengemeinde befinden. 

    Genannt werden 3 Posaunen samt ihren Mundstücken, die wohl in früherer Zeit angeschafft wurden. Weiter können wir erfahren, dass im selben Jahr 1761 in Nürtingen erkauft, 1 gerader Zinken und 1 buxbaumener Zinken. Es ist anzunehmen, dass es sich bei den drei Posaunen um eine Alt- eine Tenor-und eine Bassposaune gehandelt hat, weil in den Jahren danach Reparaturrechnungen mit diesen Benennungen vorhanden sind. 

    Die erwähnten Zinken haben wohl alte Instrumente ersetzt, welche nicht mehr brauchbar waren. Mit diesen Instrumenten wurden mit Sicherheit die Choral-Melodien gespielt. Ab dem Jahr 1763 können wir in jährlicher Regelmäßigkeit Anschaffungen, Reparaturen und Bläsergeschichten in den Heiligen-rechnungen und Kirchenkonvents-Protokollen nach lesen.